Vom Chamäleon zum Schmetterling!
- rebeccakalina
- 30. Juni
- 4 Min. Lesezeit
Der Weg der ständigen Anpassung beginnt meist in frühster Kindheit. Ärzte wie massenweise Ratgeber in Form von Büchern oder dem Internet geben vor, in welchem Alter sich ein Kind wie zu verhalten hat und was die Regel ist. Die Beurteilung, wie relevant diese Informationen, gerade mit dem heutigen Wissenstand noch sind, überlasse ich den Experten.
Aber ich kenne meinen Weg und das Gefühl «anders zu sein» sehr gut. Sich anders zu verhalten, wie man fühlt, nur um nicht aufzufallen. Ich bin in einem Dorf aufgewachsen, in dem klassischerweise jeder jeden kennt. Mit ausländischem Namen, modisch auffälligen Kleidern und der etwas anderen Ausdrucksweise war schnell klar, ich musste mich anpassen. Dies passierte wahrscheinlich ganz automatisch. Denn obwohl immer mal wieder mein wahres Ich zum Vorschein kam, so verschwand es meist auch wieder schnell, denn die Konsequenzen waren klar. Als Kind will man dazu gehören, manchmal auch zu einem Preis, der sich bei weitem nicht lohnt.
Heute weiss ich das. Damals zwängte ich mich in Rollen, die mir heute einen kalten Schauder über den Rücken jagen. Ich verkehrte mit Leuten und besuchte Lokalitäten, da würden mich heute keine zehn Pferde mehr hinkriegen. Auch als ich schon allein wohnte, gab es Momente, an denen ich mich auf mein schwarzes Ledersofa kuschelte und angewidert die Bilder des vergangenen Abends Revue passieren liess. Damals dachte ich, es sei die einzige Möglichkeit dazu zugehören.
Es brauchte viele, wirklich viele Erlebnisse, die meist unschön waren, bis ich eines begriff:
«Wenn eine Pflanze nicht wächst, gibt man nicht ihr die Schuld, sondern der Umgebung.»
Ich war als Städterin in einem Dorf grossgezogen worden – die Konflikte vorprogrammiert. Meine musischen und sportlichen Aktivitäten, mein Interesse für Kunst, Kultur und Geschichte, waren bei meinen «Dorffreunden» nie ein Thema. Da war ich der Kumpeltyp, zu uncool für die Clique, aber immer irgendwie dabei. Ob im Kindergarten oder in der Oberstufe, irgendwie blieb ich immer die Aussenseiterin. Zumindest fühlte es sich für mich so an, denn ich selbst, war ich selten. Ich war vieles in meiner frühen Jugend, meinen Zwanzigern, so dass ich irgendwann gar nicht mehr wusste, wer ich denn nun war.
Wer war ich wirklich? Wen versteckte ich unter diesem Chamäleon?
Der Weg zurück zur Wurzel, zu meinem wahren Ich und ich will nicht lügen, war ein verdammt harter Weg. Der schwierigste Teil überhaupt, war wahrscheinlich herauszufinden, welche Seele unter dieser dicken Panzerschicht schlummerte. Sich versteckte, weil sie gelernt hatte, rauszukommen und in wahrer Grösse zu erscheinen, nur Probleme bedeutete.
Dennoch würde ich es jedem empfehlen und es immer wieder tun. Ich habe unzählige Seminare, Onlinekurse und Weiterbildungen gemacht. War bei der Hypnose, in Therapie und verschlang Bücher. Wenn ich ab und zu innehielt und in mich hörte, hörte ich sie ganz genau. Sie war zwar leise, aber sie war da. Meine innere Stimme, mein wahres ich, was ich so lange glaubte, verstecken zu müssen.
Ja, ich bin anders! Anders als andere! Aber sind wir das nicht alle?
Der Veränderungsprozess an sich, hatte nie viel mit «dazulernen» oder «richtig» machen zu tun. Es ging die ganze Zeit nur darum, loszulassen. Alte Glaubensmuster, gelernte Verhalten und falsch verstandene Vorgaben musste ich loswerden. Das Schöne am Erwachsensein; man kann sein, wer man auch immer sein möchte – wer man auch immer ist. Aber bestenfalls sich selbst.
Seit ich mir dieses Recht herausnehme und darauf pfeife, wie mich meine Aussenwelt sehen oder haben möchte, kommt sie zurück.
Meine Stimme. Mein Mut. Mein wahres Ich.
Es ist definitiv einfacher gesagt als getan, dieses «ich selbst sein». Jedoch ist es wichtig, dass wir diesen mutigen Schritt tun. Es geht nicht darum an alten Dingen festzuhalten, es geht darum jeden Tag etwas dazuzulernen. Und jeden Tag sich zu erlauben, Gelerntes zu hinterfragen. Stimmt das noch für mich? Kann ich dieses Verhalten mit gutem Gewissen tolerieren? Wie und wer bin ich und möchte ich vielleicht sein?
Als ich mir erlaubte, meine Farbenpracht auszuleben, meine Vielfältigkeit, meine Kreativität, meine Art zu denken, fügten sich plötzlich so viele Dinge zusammen. Begegnungen mit Menschen, genau wegen meines Seins. Ereignisse, die mein Leben verändert haben, weil ich mich auf neue Glaubensmuster einliess. Gefühle, die ich glaubte, nie fühlen zu können, weil ich, Ich war. Und ja, je mutiger ich mich auslebte, umso mehr wurde klar, wer mich auf meinem Weg unterstützte und wer in der Vergangenheit nur von mir profitierte. Die Sicht auf mich und mein Inneres zu behalten, half mir sehr in dieser Zeit, nicht zerbrochenen Beziehungen und Freundschaften hinterher zu weinen.
Ich wusste, ich war auf dem richtigen Weg und der Panzer wurde immer weicher. Meine innere Stimme war inzwischen so stark, dass ich mich wie von einem inneren Kompass leiten liess. Ich war und bin komplett auf diese Welt gekommen. Wieso ich so bin, wie ich bin, hat seine Gründe. Welches diese sind, werde ich im Laufe meins Lebens schon erfahren. Dies kann ich aber nur tun, wenn ich mir selbst in erster Linie vertraue und mein Wesen so auslebe, wie es sich richtig anfühlt. Und nicht wie es eine Gesellschaft vorgibt, egal auf welchem Flecken dieser Erde.
Wir alle kommen mit unseren Eigenschaften, mit unseren Charakterzügen und unseren Stärken wie Schwächen auf die Welt. Dies bewusst und natürlich zu leben, ist leider keine Selbstverständlichkeit mehr. Die Gesellschaft und das Internet gaukelt uns ein besseres Leben vor, wenn wir Normen und fremdgesteckten Zielen folgen.
Nicht mit mir! Ich möchte meinen Werten und Zielen folgen und dabei glücklich sein. Ich möchte auf meine Art und Weise meinen Teil dazu beitragen. Und das kann ich am besten, wenn ich mich selbst bin. Wenn ich meine Stärken lebe und meine Fähigkeiten nutze, um etwas in dieser Welt zu erreichen. Jedoch in meinem Wertsystem.
«Der Schmetterling hat seinen Chamäleon-Kokon verlassen und seine Flügel ausgebreitet. In voller Pracht glitzern seine farbigen Flügel in den Sonnenstrahlen. Bereit, in seiner ganzen Pracht und Grösse zu glänzen. Auf seine ganz eigene Art und Weise.» Mutbürgerin
Dieser Befreiungsschlag von lähmenden und veralteten Glaubenssätzen, machte frei und leicht. Eine tonnenschwere Last schien von den Schultern zu fallen und endlich bei sich angekommen zu sein, fühlt sich sehr gut an.
Denn nicht nur Mut befreit, sondern auch die Kraft, sich selbst zu sein.
Befreit Euch von den Ketten der Normen und seit mutig genug, Euren Weg zu gehen und dabei ganz Euch selbst zu sein.
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